Conexão Berlin: Vagabundo

Conexao Berlin credit Gal Oppido

Der Bandname Conexão Berlin deutet an, dass diese Musik nicht aus Brasilien, sondern aus der deutschen Hauptstadt stammt – es ist ein Latin-Jazz-Mix auf internationalem Top-Niveau.

von Werner Herpell

Auf so eine Publicity im Vorfeld seines neuen Albums hätte Andreas Weiser, Gründer und Perkussionist des Latin-Jazz-Ensembles Conexão Berlin, gern verzichtet: Vor gut vier Wochen stürzte sich urplötzlich ein Spezialeinsatzkommando der Polizei an einer Bushaltestelle im Stadtteil Steglitz-Zehlendorf auf den 67-Jährigen – und nahm ihn als mutmaßlichen RAF-Terroristen fest. War natürlich ein peinlicher Irrtum, und nach knapp einer Stunde war Weiser die Handschellen wieder los – nicht ohne den Spruch „Naja, jetzt haben Sie was zu erzählen“ mit auf den Heimweg zu bekommen.

Ein lebensfroher, vibrierender Latin-Jazz

Conexao Berlin Vagabundo Cover Eden River Records

Für alle in die Berliner Jazz-Szene nicht ganz so eingeweihten Zeitgenossen war die schräge Mediengeschichte um Weiser und seine unangenehme Verwechslung das erste Mal, dass sie von dem Musiker hörten. Dabei haben die lebensfrohen, vibrierenden Sounds von Conexão Berlin ganz andere, sehr positive Schlagzeilen verdient. Das neue Album „Vagabundo“ sprüht wieder nur so vor ausgefuchsten Harmonien und superben Rhythmen, stets in der goldenen Mitte zwischen lässig-melodischem Modern Jazz und treibenden südamerikanischen Grooves.

Arto Lindsay, einer der großen Vermittler zwischen brasilianischer Musik, Jazz und Avantgarde, hat sich offenbar direkt in „Vagabundo“ verliebt und wird mit einer sehr ehrenvollen Lobeshymne zitiert: „Two melancholies meet like two rivers in this soft and careful record. (…) These rivers run clear and separate, but always side by side till they reach the sea.“ Die Sensibilität für verschiedene Stile und Musikkulturen kommt nicht von ungefähr. Denn Conexão-Kopf Andreas Weiser hat sich bei diversen Aufenthalten in Brasilien und etlichen Tourneen mit Assen wie Paulo Moura, Jorge Degas, Rogério Souza, Bocato, Rowney Scott oder Gabi Guedes zu einem veritablen Crossover-Experten entwickelt.

Fusion-Projekt auf dem Erfolgsweg

Für sein ambitioniertes Berliner Fusion-Projekt hat der Perkussionist mit Tino Derado (Piano), Thomy Jordi (Bass), Matthias Trippner (Drums), Christian Magnusson (Trompete/Flügelhorn) und Max Hacker als „Special Guest“ am Saxophon eine Band erstklassiger Musiker um sich versammelt. Schon das 2017 veröffentlichte Debüt „Produto Importado“ war für den Vierteljahrespreis der deutschen Schallplattenkritik nominiert und erhielt beste Kritiken – diesen Erfolgsweg dürften Conexão Berlin sieben Jahre später locker fortsetzen können. Hauptkomponist auf fünf der zehn neuen Stücke ist der brillante Pianist Derado, Weiser verantwortet zwei Tracks, außerdem wurden bei den Aufnahmen unter der Produktion von Ralf Kemper Brasil-Jazz-Cover von Hermeto Pascoal und Vincent Mendoza eingespielt.

Der Albumtitel „Vagabundo“ spiegelt auch die persönlichen Hintergründe der Bandmitglieder, deren Wurzeln teilweise in Kroatien, der Schweiz oder Schweden liegen. Im Spanischen und Portugiesischen sei „Vagabundo eigentlich ein Schimpfwort für Herumtreiber, Diebe und Obdachlose“, heißt es in der Album-PR. „Ganz im Sinne des Chaplinschen Tramps steht er in Stücken des Albums wie ‚Homesick To An Unknown Place‘, ‚Searching For Peace‘, ‚Seduction Of Inadequacy‘ oder dem Titelstück aber für vom Leben nicht gerade reich beschenkte Lebenskünstler. Mit Witz, Geschick und einer gehörigen Portion Resilienz trotzen sie als Außenseiter den Widrigkeiten in der Welt, ob in Berlin oder Rio.“

Conexão Berlin mit Live-Heimspielen

Dabei herausgekommen ist, das darf man schon jetzt feststellen, eine der besten Jazz-Platten dieses Jahres aus Berlin – also der Stadt, die nicht von ungefähr im Bandnamen gewürdigt wird. Folgerichtig treten Weiser und seine Conexão in diesem Frühjahr und Sommer gleich mehrfach in Jazz-Clubs der Hauptstadt mit Heimspielen auf: am 19.04. und 20.04.2024 im „b flat“, am 25.04.2024 im „Zig Zag Jazz Club“, am 05.07 und 06.07.2024 erneut im „b flat“. Hingehen lohnt sich ganz bestimmt.

Das Album „Vagabundo“ von Conexão Berlin erscheint am 19.04.2024 auf Eden River Records. (Beitragsbild von Gal Oppido)

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